Harry von Hofmann: Estland vor dem und als Teil vom Generalpostkommissariat OSTLAND, 472 Seiten mit 644 Abbildungen und einer beigelegten Karte,
Texte zweisprachig deutsch / englisch, H. v. Hofmann Verlag Hamburg, 2010,
ISBN 978-3-7636-5079-8, € 68,00 plus Versandkosten
Eine der wichtigsten Neuerscheinungen auf dem philatelistischen Buchmarkt legt v. Hofmann mit diesem Werk vor. Zugrunde liegen seine intensiven Forschungs - und Archivarbeiten im Estnischen Staatsarchiv und in der Nationalbibliothek Estland. Auf 472 Seiten wird dem Leser ein ungemein ausführliches Panorama der Philatelie und Postgeschichte im Zeitraum vom Juli 1941 bis September 1944 in Estland geboten. Dass er dieses Buch in Dankbarkeit und Anerkennung seinen estnischen Freunden Vambola Hurt und Elamr Ojaste widmet, ist eine besondere Ehre. Nominell ist es eine „Parallelausgabe" zu dem im Jahr 2001 erschienenen Buch: „Lettland vor dem und als Teil vom Generalpostkommissariat Ostland 1941-1945". Der scheinbaren oder vermuteten Parallelität wird schon im Vorwort eindeutig widersprochen:„das Geschehen in Lettland und Estland war grundverschieden und öffentliche Verlautbarungen hatten in Estland oft nichts mit der Realität zu tun. Die postalische Entwicklung in Estland nahm einen völlig anderen Verlauf gegenüber der günstigeren Situation in Lettland". War es wirklich so? Die überraschenden Ergebnisse möchte der Rezensent keineswegs an dieser Stelle vorwegnehmen, spannend ist die Darstellung allemal. Neben der an den Anfang gestellten Chronik und Dokumentation werden in ausführlichen Kapiteln Briefmarken, Ganzsachen, besondere Versendungsarten, Feldpost, Poststempel, besondere Vermerke, Formulare und Postorte behandelt. Diese Aufzählung kann in gar keiner Weise die äußerst umfangreiche und spezialisierte weitere Untergliederung der einzelnen Kapitel abbilden. Es gibt wohl nichts aus diesem Zeitraum, was v. Hofmann nicht behandelt hätte. Mir liegt - herausgreifend - sehr daran, auf die Behandlung der Markenausgaben einzugehen: als offizielle Ausgaben können nur die erste Aufdruckausgabe von Pemau (Pärnu) und die beiden in Dorpat (Tartu) erschienenen Ausgaben (Hakenkreuz / Staatswappen und Wiederaufbau) angesehen werden. Wichtiger noch erscheint die Beurteilung der offiziellen Lokalausgaben sowie der Werte, bei denen ein philatelistischer Einfluss nicht ausgeschlossen werden kann und die, wenn nicht zum Schaden der Post, dann aber zum Schaden der Sammler, aus Gefälligkeit oder auf Wunsch angefertigt wurden. Eindeutig ist der Satz: "Eine Bewertung derartiger Produkte, die häufig angeboten werden, muss jeder selbst für sich treffen". Wer zwischen den Zeilen liest, wird erwarten können, dass ein erheblicher Aufruhr in dem (bisher) lukrativen Markt auf Sammler und Händler zukommt.
Auf den abschließenden 166 Seiten werden estnische und deutsche Bestimmungen und Verordnungen im Originaltext gebracht, mit Verweisen auf die Fundorte, so dass eine individuelle weitere Forschung betrieben werden kann. Der Autor betont in aller Bescheidenheit, dass dieses Handbuch noch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Mit der vorliegenden Bestandsaufnahme sei eine Grundlage für die weitere Arbeit geboten worden, entscheidend für Ergänzungen und weitere Details sei die Mitarbeit von Sammlern und forschenden Philatelisten. Diesem Appell kann ich mich nur mit allem Nachdruck anschließen. Es gibt nach meiner Meinung wenig, was zu bemängeln wäre: bei einigen Abbildungen hätte man sich eine deutlichere, weniger verschwommene Wiedergabe gewünscht; hinsichtlich der Otepää-Ausgabe wäre ein Hinweis auf die Publikation von Eo Vaher in „EESTI FILATELIST" sinnvoll gewesen.
Zusammenfassend: dies ist ein Werk, ein „Must have" für jeden Estland- oder Baltikumsammler und für jeden, der sich mit der deutschen Besetzungszeit und mit der Feldpost beschäftigt. Künftige Arbeiten müssen sich an dieser Publikation messen lassen. Glückwunsch und herzlichen Dank, Harry von Hofmann!
Dr. Peter Feustel